Die erste von der organisierten Arbeiterschaft veranstaltete Maifeier in Frankfurt am main begann am 1. Mai 1890 mittags mit einer Versammlung von 1500 Arbeitern in „Schwager‘s Felsenkeller“. Nachmittags machte man einen „Massenspaziergang“ nach Isenburg, weil demonstrieren verboten war. Damals wie heute war Vorsicht und Disziplin angesagt, da auch die Polizei in Zivil dabei war. Warum dann 165 Jahre? Am 1. Mai 1848 entstand in Frankfurt die erste gewerkschaftliche Organisation: die Buchdruckergewerkschaft „Typographia“.
Und wie kam es zur internationalen Koordinierung eines einheitlichen Feier- und Festtages? Traditionell war in den Vereinigten Staaten von Amerika der 1. Mai der „Moving Day“. Am 1. Mai 1886 wollten die Gewerkschaften den Achtstundentag als Bestandteil der neuen Arbeitsverträge durchsetzen und führten einen Generalstreik durch, der dieses Ziel für ca. 200.000 Arbeiter verwirklichen sollte. In Chicago, wo ca. 40.000 Arbeiter im Ausstand waren, gab es besonders heftige Auseinandersetzungen. 16 Menschen wurden von der Polizei erschossen, vier als „Rädelsführer“ hingerichtet. Einer der vier Hingerichteten, August Spies, rief vor seiner Hinrichtung: „Die Zeit wird kommen, wo unser Schweigen stärker ist, als die Stimmen, die Sie heute erdrosseln.“
Der Maifestzug wurde oft verboten. 1906 wurde bekannt, dass die „Adler-Werke“ in Frankfurt-Gallus schwarze Listen führten. Das war in vielen Industriebetrieben der Fall. Nach der Revolution vom 9. November 1918 beschloss die verfassungsgebende Versammlung in Weimar den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag, leider nur für das Jahr 1919. Das Reichsarbeitsgericht stellte am 17. April 1929 fest: „1. Eine Feierschicht ist nur dann genügend entschuldigt, wenn der Grund zur Säumnis bei objektiver Würdigung ausreicht, die Säumnis zu rechtfertigen. 2. Der Wunsch, den 1. Mai zu feiern, genügt als Entschuldigung nicht.“ Nur wo starke Betriebsräte vorhanden waren standen am 1. Mai alle Räder still.
Das Lehrstück vom 1. und 2.Mai 1933
In der Weimarer Republik waren die organisierten Arbeiter immer öfter Opfer von Angriffen und Provokationen der Faschisten. So verurteilte das Amtsgericht Frankfurt Wilhelm Viehmann wegen Körperverletzung, weil er nach Provokationen durch „Zuschauer“ bei der 1. Mai-Demonstration einem Provokateur den Oberkiefer gebrochen haben sollte. Erst das Landgericht erklärte Viehmann für unschuldig, weil die Nazis völlig widersprüchliche Aussagen machten. Nach der „legalen Wahl“ der Nazis am 5. März 1933 beschlossen die Führer der Gewerkschaften, dass an einen geplanten Widerstand gegen das Hitler-Regime mit Waffen nicht mehr zu denken sei.
Die Führung des Gewerkschaftsbunds rief fatalerweise zur Teilnahme am faschistischen 1. Mai auf, Teile der Führung wollten sich in den „neu en Staat“ eingliedern. Viele Arbeiter folgten dem Aufruf aber nicht, sondern verteilten illegal Flugblätter und veranstalteten illegale Maifeiern im Frankfurter Stadtwald, wie die Jugend des Zentralverbands der Angestellten und die Metallarbeiterjugend.
Die Absage an Widerstand durch die Gewerkschaftsführung hatte schlimme Konsequenzen. Am 2. Mai um zehn Uhr wurden die Gewerkschaftshäuser in der Schwimmbadstrasse (heute Wilhelm-Leuschner-Strasse), in der Stoltzestrasse und in Höchst von der SA besetzt und viele Gewerkschafter in die „Perlenfabrik“ in der Ginnheimer Landstraße gebracht (dort wo heute die zwei Studentenwohnhochhäuser stehen), wo die Bockenheimer und Rödelheimer SA bereits ein provisorisches KZ eingerichtet hatten. Andere Organisationen der Arbeiter, so z.B. die TSG „Vorwärts“ von 1874 e.V. (im Biegwald) wurden von den Nazis verboten, ausgeraubt und politisch aktive Mitglieder in die Konzentrationslager verschleppt und größtenteils ermordet.
1945: endlich wieder frei vom Faschismus – aber der Kampf geht weiter!
Die Alliierten besetzen im April das heutige hessische Staatsgebiet, so dass schon am 23. April Gewerkschafter die überlebt hatten fordern konnten: „Der 1. Mai ist als gesetzlicher Feiertag zu verankern.“ 1946 fand dann die erste Maifeier wieder auf dem Frankfurter Römer statt und der erste Mai war ein gesetzlich verankerter Feiertag geworden. In den folgenden Jahren standen die Maikundgebungen im Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung bis in die 1950er Jahre, in denen dann mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir!“ die 40-Stunden / 5 Tage Woche gefordert und durchgesetzt wurde. Auch gingen die Arbeiter gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands auf die Straße, konnten sich allerdings damit nicht durchsetzen. Ebenso wenig gegen die Einführung von Atomwaffen.
Ab 1971 konnte die Maifeier wieder steigende Teilnehmerzahlen aufweisen, nicht zuletzt durch die vielen migrantischen Arbeiter, die es der Arbeit wegen nach Deutschland verschlagen hatte und in deren Heimatländern der 1. Mai auch eine kämpferische Tradition hat. 1984 wurde dann erstmals die 35-Stunden Woche gefordert, eine Forderung die bis heute wegen „Krise und Geldmangel“ des Staates und der Arbeitgeber nicht durchgesetzt werden konnte. In den 1990er Jahren mussten die Arbeiter sogar erhebliche Zugeständnisse an die Arbeitgeberseite machen: durchschnittlich 2,5 Stunden Arbeitszeitverlängerung und eine Reallohnsenkung um ca. 30%. Einige glauben noch den Spruch der vor kurzem gestorbenen englischen Premierministerin Margret Thatcher: „There Is No Alternative“ – es gibt keine Alternative.
Gibt es wirklich keine Alternative? Doch. Den gemeinsamen Kampf der Arbeiter für Arbeitszeitverkürzung, höhere Löhne, von denen man leben kann und Arbeitsverhältnisse bei denen man sich nicht totschuftet. Der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung, Lohnsklaverei und Krieg. Feiert schön Leute!
Literatur:
Frankfurt im Mai, Verein für Frankfurter Arbeitergeschichte, Frankfurt 1985
100 Jahre Zukunft, Inge Marßolek (Hrsg.), Büchergilde Gutenberg, Frankfurt, 1990
Illustrierte Geschichte des 1. Mai, Udo Achten (Hrsg.), Asso-Verlag Oberhausen 1979